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Revision PatG: Missbrauch der Patentbox durch Schweizer Patente?

M. Irsch (IPS), P. Kuster (IPS), E. Brück (IPS), C. Jalink (IPS) und H. Kley

IPS hat sich bereits im Vorfeld zur erneuten Abstimmung über die Reform der Unternehmenssteuern im Jahr 2019 intensiv mit dem Thema «Patentbox» auseinandergesetzt und sich für eine Annahme der STAF stark gemacht [IPS]. Nicht zuletzt deshalb, weil auch kleineren und mittleren Unternehmen merkliche Steuererleichterungen in Aussicht gestellt wurden und durch die Vorteile des teilgeprüften Schweizer Patents selbst sehr kleinen Unternehmen und Startups die Nutzung der Patentbox unter bestimmten Voraussetzungen sinnvoll ermöglicht wurde. Vorteile, die durch die geplante Reform (VE-PatG) des Schweizer Patentgesetzes (PatG) jetzt wieder deutlich beschnitten würden. Das ist besonders stossend mit Blick darauf, dass die OECD gerade für KMU besonders niedrige Hürden für den Eintritt in die Patentbox ansetzt, die in Bezug auf die Patentbox vom Schweizer Gesetzgeber ohnehin nicht annähernd ausgeschöpft wurden.

Nach der abgelehnten Steuervorlage USR III wurde in der Neuauflage (STAF) im Jahr 2019 dem Stimmbürger versprochen, dass mit dem bisherigen Schweizer Patent den einheimischen KMU ein kostengünstiger und attraktiver Zugang zur neu geschaffenen Patentbox eröffnet werde. Dies mag seinerzeit u.a. wesentlich zur Akzeptanz der umstrittenen Vorlage geführt haben. Nun, keine zwei Jahre nach der Abstimmung über die STAF, ist seitens verschiedener Befürworter der aktuellen Vorlage zur Revision des PatG immer häufiger das Argument zu hören, das teilgeprüfte Schweizer Patent müsse unter anderem auch deshalb durch ein vollgeprüftes Schweizer Patent dringend abgelöst werden, um einem allfälligen Missbrauch der Patentbox durch solche teilgeprüfte Schweizer Patente entgegenzuwirken, die den materiell rechtlichen Erfordernissen in Bezug auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit nicht entsprechen würden.

Wie im Folgenden dargelegt wird, ist dieses Argument völlig aus der Luft gegriffen und zielt ins Leere, da die teilgeprüften Patente gemäss PatG in der aktuellen Fassung nicht nur die Vorgaben der OECD erfüllen, sondern die Schweizer Bedingungen für den Eintritt in die Patentbox sogar noch deutlich restriktiver sind, als dies die OECD verlangt.

Im Rahmen der Patentbox soll es selbstständig Erwerbenden, Einzelunternehmen, Personengesellschaften sowie Kapitalgesellschaften ermöglicht werden, Erträge aus bestimmten Immaterialgütern bei der kantonalen und kommunalen Einkommens- oder Gewinnsteuer privilegiert zu besteuern. Etwas vereinfacht ausgedrückt hat der Bund versucht, mit der Einführung der Patentbox den durch die STAF hervorgerufenen «Fiskalschock» etwas abzumildern. Darüber hinaus soll es für Schweizer Unternehmen wieder attraktiver werden, Forschung und Entwicklung möglichst in der Schweiz zu betreiben bzw. bereits ausgelagerte Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten wieder in die Schweiz zurückzuholen und so den Forschungsstandort Schweiz nachhaltig zu stärken.

Für welche Einkünfte und in welchem Umfang Anspruch auf entsprechende Steuervergünstigungen besteht, wird durch den sogenannten «Nexus-Ansatz» (OECD, Seite 28 - 30) bestimmt. Zur Abgrenzung derjenigen Erträge, die von der privilegierten Besteuerung profitieren können, werden im Einklang mit den geltenden OECD-Mindeststandards bestimmte qualifizierende Patentschutzrechte und damit vergleichbare Rechte des Geistigen Eigentums (IP) herangezogen. Die OECD setzt dabei vergleichsweise niedrige Standards für qualifizierendes IP, die nach dem Nexus-Ansatz die Voraussetzungen für Steuervergünstigungen erfüllen. Dies sind:

«Patente und andere geistige Eigentumswerte, die Patenten funktionell entsprechen, sofern diese Vermögenswerte sowohl rechtlich geschützt sind als auch ähnlichen Genehmigungs­ und Registrierungsverfahren unterliegen…… Bei Gegenständen geistigen Eigentums, die Patenten funktionell gleichzusetzen sind, handelt es sich um i) Patente im weiteren Sinne, ii) urheberrechtlich geschützte Software sowie iii) unter bestimmten Umständen sonstige Gegenstände geistigen Eigentums, deren Erfindung nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht naheliegend ist („non­obvious“) und die nützlich sowie neuartig sind. » [OECD, Seite 28].

Die Regeln der OECD verlangen somit keineswegs zwingend, dass die durch Patente oder vergleichbare Schutzrechte geschützten Innovationen den materiell rechtlichen Patentierungserfordernissen von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit genügen müssen, sondern es wird lediglich verlangt, dass die für die Patentbox qualifizierenden Innovationen «Nicht naheliegend», «nützlich» und «neuartig» sind.

Insofern sind die Schweizer Vorschriften, die den Zugang zur Patentbox regeln, im Vergleich zu den Mindeststandards der OECD nicht nur vollumfänglich erfüllt, sondern sind sogar eher noch viel zu restriktiv ausgelegt (HAUSMANN). Artikel 24a des Steuerharmonisierungsgesetzes (StHG) legt fest, dass neben nationalen Schweizer Patenten, Patenten nach dem Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) mit Benennung Schweiz und ausländische Patente, die den vorgenannten Patenten entsprechen, auch vergleichbare Rechte für den Zugang zur Patentbox qualifizieren. Die Liste der vergleichbaren Rechte ist dabei im StHG abschliessend und auf ergänzende Schutzzertifikate, Topographien, Pflanzensorten gemäss Sortenschutzgesetz, Unterlagen, die nach dem Heilmittelgesetz geschützt sind, Berichte für die gemäss Ausführungsbestimmungen zum Landwirtschaftsgesetz ein Berichtschutz besteht, sowie auf ausländische Rechte, die den vorgenannten Rechten entsprechen, beschränkt.

Von der Nutzung für die Patentbox ausgeschlossen hat der Schweizer Gesetzgeber dagegen weitere Gegenstände, die gemäss den Standards der OECD eigentlich ebenfalls für die Patentbox qualifizieren würden. Es sind dies z.B. urheberrechtlich geschützte Software sowie Innovationen, die «nützlich, neuartig und nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht naheliegend sind, den Gegenständen geistigen Eigentums der ersten beiden Kategorien im Wesentlichen entsprechen und in dieser Eigenschaft in einem transparenten Zertifizierungsverfahren durch eine zuständige staatliche Stelle, die von der Steuerverwaltung unabhängig ist, anerkannt wurden» [OECD, Seite 29].

Somit erfüllen die teilgeprüften Patente gemäss PatG in der aktuellen Fassung nicht nur die Vorgaben der OECD, sondern die Schweizer Bedingungen für den Eintritt in die Patentbox sind sogar noch deutlich restriktiver, als dies die OECD verlangt. Daher ist das Argument einiger Befürworter der Abschaffung des teilgeprüften Schweizer Patents, dieses berge die Gefahr des Missbrauchs der Patentbox und sei damit zumindest implizit nicht OECD konform, völlig haltlos und zielt ins Leere.

In dem Zusammenhang ist ein ebenfalls diskutiertes Argument, dass im Zuge der geplanten Reform des PatG parallel auch das StHG dahin gehend geändert und der Geltungsbereich sogar noch erweitert werden soll, dass auch das neu zu schaffende Gebrauchsmuster über einen neu in das StHG einzufügenden Art. 24a 2 Bst abis zusätzlich als qualifizierendes Schutzrecht aufgenommen werden soll. Das ist aber eine rein formale und keine substantielle Erweiterung. Wenn das teilgeprüfte Schweizer Patent abgeschafft werden sollte, sind über das neue Gebrauchsmuster, das das bisherige Schweizer Patent ersetzen soll, bestimmte Schutzgegenstände (Verfahren, z.B. Computer implementierte Verfahren Stoffe, Gemische, Verfahren zur Herstellung solcher Stoffe und Gemische, usw.) schlicht nicht mehr schützbar. Für diese Innovationen müssen daher zwingend geprüfte Patente erwirkt werden, was zeitlich und finanziell eine zusätzliche Hürde bereitstellt. Das ist der eigentliche Mechanismus, über den die Schweizer KMU entgegen den Versprechungen im Abstimmungskampf zur STAF deutlich schlechter gestellt werden. Der Hinweis auf die angebliche Erweiterung des Art 24a StHG ist damit irreführend und geht an den Realitäten vorbei.

Zuletzt soll auch nicht unerwähnt bleiben, dass nicht selten versucht wird, die angebliche Notwendigkeit der Abschaffung des aktuellen Schweizer Patents durch die Behauptung zu stützen, die OECD treffe bereits Vorbereitungen, ungeprüfte Patente von der Nutzung der Patentbox auszunehmen und daher sei es geboten, bereits proaktiv darauf zu reagieren und das teilgeprüfte Patent durch ein auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit geprüftes Patent, zusätzlich ergänzt durch ein neu einzuführendes Gebrauchsmuster, zu ersetzen.

Abgesehen davon, dass es sich dabei lediglich um ein Gerücht handelt, das zwar bereits seit einiger Zeit kursiert, für dessen Richtigkeit bis heute aber niemand einen schlüssigen Beleg vorlegen konnte, kann auch dies kaum überzeugen. Wenn uns verschärfte Regeln der OECD zukünftig tatsächlich dazu zwingen würden zu akzeptieren, dass Gewinne aus Innovationen, die nur durch ein teilgeprüftes Schweizer Patent geschützt sind, nicht mehr für die Patentbox qualifizieren, so wäre das nicht im PatG sondern im Steuerrecht zu regeln. In dem Fall könnte z.B. einfach Artikel 24a StHG dahingehend geändert werden, dass Schweizer Patente gemäss PatG nicht mehr für die Patentbox qualifizieren, sondern stattdessen nur noch Schweizer Patente, die aus Europäischen Patenten gemäss EPÜ für die Schweiz validiert wurden. Damit wäre dieses Problem, sofern es überhaupt je relevant wird, elegant über das StHG zu regeln, ohne den Schweizer KMU und Startups die einfache, effiziente und kostengünstigen Schutzmöglichkeiten ihrer Innovationen über das Schweizer Patents gemäss PatG völlig ohne Not zukünftig zu verwehren. Ganz davon abgesehen, dürften dann natürlich auch Innovationen, die nur durch ebenfalls materiell nicht geprüfte Gebrauchsmuster geschützt sind, nicht mehr für die Patentbox qualifizieren. Zudem fordert die Motion Hefti nicht, dass das aktuelle Schweizer Patent abgeschafft wird. Die Motion Hefti fordert unter anderem lediglich die Einführung einer Vollprüfung, was auch problemlos möglich wäre, ohne das aktuelle Patent gemäss PatG abzuschaffen. Dem Anmelder müsste nur zur Auswahl gestellt werden, ob eine materielle Prüfung durchgeführt werden soll oder eben nicht. Damit wäre einerseits der Motion Hefti entsprochen und die kleinen KMU und Start-Ups könnten andererseits ihr klassisches Schweizer Patent erhalten.

Somit entbehrt auch der Verweis auf das Gerücht, der Ersatz des teilgeprüften Schweizer Patents gemäss PatG durch ein Gebrauchsmuster sowie die Einführung eines vollgeprüften Patents gemäss VE-PatG sei auf Grund von zu erwartenden Verschärfungen der OECD Regeln dringend geboten, jeglicher Grundlage, so dass eine Zustimmung zur Reform des PatG in der vorgelegten Fassung auch unter diesem Gesichtspunkt nicht zu rechtfertigen ist.

IPS ist nicht bereit die Schwächung der Position Ihrer Mandanten unter Hinweis auf ein nicht verifizierbares Gerücht in vorauseilendem Gehorsam zu unterstützen. IPS als Patentanwaltskanzlei sieht sich vielmehr in der Pflicht, die Interessen ihrer Mandanten nachhaltig zu schützen und sich für die Durchsetzung ihrer Anliegen und legitimen Rechte gegen jegliche Ein- und Angriffe einzusetzen.

OECD: OECD (2016), Wirksamere Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken unter Berücksichtigung von Transparenz und Substanz, Aktionspunkt 5 – Abschlussbericht 2015, OECD/G20 Projekt Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung, OECD Publishing, Paris; (https://www.oecd-ilibrary.org/docserver/9789264258037-de.pdf?expires=1610461570&id=id&accname=guest&checksum=0A34D56ECCC86311F2CE0D52F1D7FEF9)

StHG: Steuerharmonisierungsgesetz, StHG vom 14. Dezember 1990 (Stand am 1. Januar 2021); (https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19900333/index.html)

IPS: St. Galler Tagblatt «Wir sind Patentweltmeister», 04.04.2019; (https://www.tagblatt.ch/wirtschaft/wir-sind-weltmeister-ld.1108035)

HAUSMANN: «DIE PATENTBOX UND ZUSÄTZLICHE F&E-ABZÜGE IM RAHMEN DER STEUERVORLAGE 17»; EXPERT FOCUS 2018|6–7; Seite 507, 2.2.2 Erfindungen von KMU.