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Änderung PatG: Innovation oder Rückschritt?

M. Irsch (IPS), P. Kuster (IPS), E. Brück (IPS) und C. Jalink (IPS)

Kritische Anmerkungen zur geplanten Änderung des Schweizer Patentgesetztes

Am 12.12.2019 hat das Parlament die Motion 19.3228 Hefti Thomas «Für ein zeitgemässes Schweizer Patent» überwiesen. Deshalb wurde nun ein Vorentwurf zur Änderung des Bundesgesetzes über die Erfindungspatente vorgestellt.

Der Vorentwurf (VE-PatG) zur Änderung des Schweizer Patentgesetzes (PatG) hat das Ziel das Patentrecht in der Schweiz zu modernisieren und zu revidieren, so dass den Schweizer Innovatoren und Innovatorinnen ein den internationalen Standards entsprechendes Patentprüfungsverfahren zur Verfügung stehen soll. Auch wir sehen beim PatG in der aktuellen Fassung durchaus einen gewissen Überarbeitungsbedarf, hauptsächlich jedoch in Bezug auf das bisher eher rudimentäre Einspruchsverfahren, sowie in Bezug auf formale Aspekte. So ist die Einführung eines Einspruchsverfahrens, mit welchem in einem Amtsverfahren vor dem IGE zukünftig auch die Patentierungserfordernisse Neuheit und erfinderische Tätigkeit (Art. 1 PatG) im Lichte des Stands der Technik nach der Patenterteilung durch Dritte überprüft werden können, ohne dass in einem aufwändigen Nichtigkeitsverfahren die Gerichte bemüht werden müssen, durchaus überfällig und zu begrüssen. Dazu ist lediglich Art. 152 VE-PatG wie vorgeschlagen anzupassen, so dass Konflikte mit dem Rückwirkungsverbot vermieden werden.

Der Ersatz des aktuellen teilgeprüften Schweizer Patents durch ein Gebrauchsmuster und die Einführung eines vollgeprüften Schweizer Patents wird jedoch abgelehnt, weil die Nachteile gerade für KMU, vor allem für Klein- und Kleinstunternehmen sowie für Einzelerfinder gravierend sind und wesentliche Vorteile nicht erkennbar sind.

Wesentliche Gründe, warum der Ersatz des aktuellen teilgeprüften Schweizer Patents durch ein Gebrauchsmuster und die Einführung eines vollgeprüften Schweizer Patents abgelehnt wird:

  1. Mit der Zielvorgabe einer Modernisierung und der Erfüllung von internationalen Standards im vorgesehenen PatG, suggeriert der «Erläuternde Bericht zur Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens» (Bericht) einen diesbezüglichen Handlungsbedarf. Dazu ist zu bemerken, dass eine umfassende Revision des PatG bereits 2008 (Inkrafttreten 1.6.2008) vorgenommen wurde. Ebenfalls ist zu unterstreichen, dass das in Kraft stehende PatG den internationalen Vorgaben (insbesondere PVÜ, TRIPS, PLT) voll entspricht und keineswegs internationalen Angriffen ausgesetzt ist bzw. keine Androhungen von schwarzen oder grauen Listen provoziert. Auch nicht mit Blick auf steuerrechtliche Vorgaben der OECD (Stichwort Patentbox). Eine dringliche Modernisierung drängt sich deshalb weder staatspolitisch noch sachlich auf.
  2. Die Reform betrifft im Wesentlichen die auf dem nationalen Weg erlangten Schweizer Patente, welche anteilsmässig einen nur geringen Anteil an den in der Schweiz gültigen Patente ausmachen (ca. 5% entspricht ca. 600 Patenterteilungen pro Jahr). Den daraus durch die Revision des PatG erwachsenden notwendigen Ausbau der Administration vor allem beim IGE und bei der Rechtspflege (vor allem BVG) erachten wir als unverhältnismässig, solange ein geprüftes Schweizer Patent über das Europäische Patent (EP-Patent) erreichbar ist. Die auf dem rein nationalen Weg erlangten Schweizer Patente stammen mehrheitlich von Schweizer KMU und Einzelerfindern. Der restliche, weit überwiegende Teil der für die Schweiz registrierten Patente wird von auf dem europäischen Weg erlangten EP-Patenten gebildet, welche von der Gesetzesrevision nicht betroffen sind. Die angestrebte Reform betrifft somit lediglich einen sehr geringen Anteil an Patentschutzrechten, die zu dem für internationale Anmelder keine Rolle spielen. Schon allein deshalb lässt sich die angestrebte umfassende Reform mit all ihren negativen Konsequenzen nicht rechtfertigen.
  3. Das Gebrauchsmuster hat nur eine Laufzeit von 10 Jahren - das aktuelle ungeprüfte Schweizer Patent hat dagegen eine Laufzeit von 20 Jahren.
  4. Das Gebrauchsmuster kann nur bestimmte Schutzgegenstände schützen (im wesentlichen nur Vorrichtungen, Maschinen, Apparate und Teile davon). Insbesondere sind Stoffe und Stoffgemische, z.B. Medikamente und chemische Verbindungen, sowie Verfahren aller Art vom Gebrauchsmusterschutz ausgeschlossen.
  5. Nach der abgelehnten Steuervorlage USR III wurde in der Neuauflage (STAF) im Jahr 2019 dem Stimmbürger versprochen, dass mit dem bisherigen Schweizer Patent den einheimischen KMU ein kostengünstiger und attraktiver Zugang zur neu geschaffenen Patentbox eröffnet werde. Dies mag u.a. wesentlich zur Akzeptanz der umstrittenen Vorlage geführt haben. Mit dem Ersatz des teilgeprüften Schweizer Patents durch ein Gebrauchsmuster mit nur 10 Jahren Laufzeit wird dieses Versprechen der Politik desavouiert. Durch die im Vergleich zum teilgeprüften Schweizer Patent auf die Hälfte verkürzte Laufzeit des Gebrauchsmusters könnte ein Schutzrechtinhaber auch nur noch halb so lang von den Steuervorteilen der Patentbox profitieren. Des Weiteren können vom Gebrauchsmusterschutz ausgeschlossene Erfindungen nur noch über teuer und aufwändig zu erhaltende vollgeprüfte Patente (entweder EP-Patent oder vollgeprüftes Schweizer Patent) geschützt werden. Das ist ein Schlag ins Gesicht der KMU, denen die STAF massgeblich mit den Steuervorteilen aus der Patentbox schmackhaft gemacht wurde. Vorteile, die durch die geplante Patentgesetzreform wieder deutlich beschnitten würden. Das ist besonders stossend mit Blick darauf, dass die OECD gerade für KMU besonders niedrige Hürden für den Eintritt in die Patentbox ansetzt. Möglichkeiten, die in Bezug auf die Patentbox vom Schweizer Gesetzgeber ohnehin nicht annähernd ausgeschöpft wurden.
  6. Die Hürden und Voraussetzungen, sowie die Verfahren für die Eintragung eines Gebrauchsmusters sind mit denjenigen für die Erteilung eines teilgeprüften Schweizer Patents praktisch identisch. Damit werden sich auch die Kosten für die Eintragung eines Gebrauchsmusters von denjenigen für die Erteilung eines teilgeprüften Schweizer Patents nicht wesentlich unterscheiden können. Auch der zeitliche Aufwand für die Eintragung eines Gebrauchsmusters wird höchstens unwesentlich kleiner sein als für ein klassisches teilgeprüftes Patent, für das eine beschleunigte Prüfung beantragt wird.
  7. Bevor ein vollgeprüftes Schweizer Patent eingeführt werden kann, ist nach diesseitiger Auffassung unbedingt das Vertretungsrecht betreffend die (gewerbsmässige) Vertretung Dritter in den Verfahren vor dem IGE anzupassen. Gemäss Patentanwaltsgesetz (PAG) in der Fassung vom 20. März 2009 darf sich Patentanwältin oder Patentanwalt gem. Art. 2 PAG zwar nur nennen, wer bestimmte Qualifikationen nachweist und im Patentanwaltsregister eingetragen ist. Die gewerbsmässige Beratung und Vertretung vor dem IGE steht gem. Art. 48a Abs. 2 PatG hingegen allen Personen, die ein Zustellungsdomizil in der Schweiz nachweisen können, grundsätzlich offen. Die Vollprüfung eines Patents und besonders das neue Einspruchsverfahren erfordern hochqualifizierte Spezialisten. Nicht ausgebildete Vertreter sind dafür in aller Regel nicht qualifiziert. Die Qualität des vollgeprüften Schweizer Patents und der Einspruchsverfahren kann durch gewerbsmässige Vertreter ohne entsprechende Qualifikation somit nicht gewährleistet werden. Es besteht die Gefahr, dass gerade in Patentangelegenheiten unerfahrene KMU und Einzelerfinder professionelle Patentanwälte von nicht qualifizierten Dienstleistern nicht zu unterscheiden vermögen.

Aus den vorgenannten Gründen wird der Ersatz des heutigen teilgeprüften Schweizer Patents gemäss PatG durch ein Gebrauchsmuster, sowie die Einführung eines vollgeprüften Patents, abgelehnt. Weiterführende Kommentare und Begründungen finden Sie in: